Medellin – Die wiederauferstandene Stadt

Innenstadt von Medellin
Innenstadt von Medellin

Die stolzen Bewohner der mit rund 2,4 Millionen Menschen (über 3,7 Millionen sind es in der Metropolregion, Quelle: Wikipedia) zweitgrößten Stadt Kolumbiens, auch Paisas genannt, haben sich niemals unterkriegen lassen – nicht von der Armut und auch nicht von der Drogenmafia, die jahrelang die Straßen und die Wirtschaft beherrschte. Fleiß und der ungebrochene Wille, wieder etwas Gutes aus der eigenen Stadt zu machen, haben Medellín und seine Bewohner zu dem werden lassen, was es heute ist: eine lebendige, neu erwachte und oft sehr moderne Stadt.

Und dabei haben die Paisas niemals ihre gute Laune und die Freude am Leben verloren. Vielleicht trägt dazu auch ein wenig das milde Klima bei. Auf 1538 Metern Höhe im Aburrá-Tal gelegen ist es in Medellín merklich wärmer, als in Bogotá. Es herrschen durchgehend angenehme Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad. Im „Winter“ regnet es manchmal, sonst scheint meistens die Sonne und dann wird es fast schon heiß.

Die Stadt mit anderen Augen sehen

1616 gegründet war Medellín lange Zeit als Produktionsstätte für Kaffee und als Industriezentrum (ab 1930er Jahre) bekannt, bevor es in den 1980er Jahren durch das Medellín-Kartell eher zweifelhaften Ruf als Kokainumschlagsplatz und Ort der Gewalt erwarb. Mit dem Tod von Drogenbaron Pablo Escobar, seinerzeit wohl einer der reichsten und mächtigsten Männer der Welt, wandte sich jedoch das Blatt 1993 für Medellín. Ein neuer Anfang, eine Neudefinition der Werte und Bedeutung wurde möglich.

Wichtige (Bau-)Maßnahmen steigerten seitdem die Sicherheit und Attraktivität für Bewohner und Touristen merklich. Plätze wurden umgewandelt, viele Orte bekamen ein neues, positives Image. Heute kann man sich weitestgehend sicher fühlen in der Stadt, die noch vor zwanzig Jahren als gefährlichste Stadt der Welt galt. Ein kleines Wunder – auch für die Paisas.

Alle sozialen Schichten verbinden

Seilbahn nach Santo Domingo in Medellin

Nicht die Hauptstadt, sondern Medellín ist die einzige Stadt in Kolumbien, in der eine Metro fährt. 1995/96 wurden die Linien A und B in Betrieb genommen und sorgen seither für sehr viel kürzere Wege durch die Stadt. Doch die Metro ist für Medellín viel mehr als ein reines Transportmittel. Als kulturelle Achse bietet sie nicht nur größere Attraktivität für die Touristen, sondern vor allem für die Paisas selbst. Denn sie bezieht alle Schichten gleichermaßen ein und bringt so arm und reich wieder enger zusammen.

2007 und 2004 wurden die beiden Linien K und J des Metrocable (Seilbahn) eingeweiht. Auch benachteiligte Stadtteile sind dadurch wieder leichter zu erreichen, die Kriminalität dort hat merklich abgenommen. Die Linie J fährt von der Metrohaltestelle Acevedo nach Santo Domingo hinauf. Von dort aus kann man dienstags bis sonntags in eine Erweiterung der Seilbahn umsteigen (kostet extra) und noch weiter in einen großen Park fahren. Am Wochenende ist er ein beliebtes Ausflugsziel der Paisas. Mit der Linie K fährt man von San Javier nach La Aurora und schaut dabei auf gleich zwei Hügel hinab.

Seilbahn nach La Aurora in Medellin

Man schwebt mit dem Metrocable über Dächer aus Ziegeln und Wellblech, manche mit Botschaften beschriftet oder kunstvoll bemalt. Dazwischen liegt Wäsche oder flattert an langen Leinen im Wind. Einige Häuser sind aus Holz, die meisten jedoch in Stein gebaut. Vereinzelte Bäume und Fassaden in kunterbunten Farben mischen sich unter den roten Backstein.

Man sollte sich jedoch immer bewusst sein, dass man in die ärmsten Viertel von Medellín fährt, in denen es trotz abnehmender Gewalt immer noch viele Probleme gibt. Kurz aus- bzw. umsteigen lohnt sich vor allem in Santo Domingo. Der Ausblick auf die Stadt ist grandios! Und wer hier Augen und Ohren offen hält, dem passiert auch nichts. Manchmal findet sich auch ein kundiger kleiner „Stadtführer“, der die wichtigsten Fakten zusammenfasst und dafür ein paar Pesos haben möchte.

Wertvollen Kunstwerken ganz nah kommen

Statue von Fernanda Botero in Medellin

Der kolumbianische Maler und Bildhauer Fernanda Botero (*1932 in Medellín) ist weltbekannt. Seine Werke sind rund um den Globus ausgestellt. Seiner Heimatstadt und ihren Bewohnern hat Botero in den letzten Jahren viele Arbeiten gestiftet. Einige davon sind im Museo de Antioquia zu sehen. Und auf dem gegenüberliegenden Plaza Botero findet man gleich eine ganze Sammlung der überproportionierten, üppigen Skulpturen des Künstlers, die Menschen und Tiere in allen Facetten zeigen. Jede hat einen Wert von rund 2,2 Millionen US-Dollar.

Die quirlige Atmosphäre mit den vielen fliegenden Händlern, die von Hüten über Seifenblasen und Obst alles verkaufen, machen den Platz nicht nur sehens- sondern auch erlebenswert. Einheimische und Touristen erfreuen sich hier gleichermaßen an der Kunst Boteros im öffentlichen Raum. Stolz und Dankbarkeit tragen wohl dazu bei, dass alle Skulpturen unbeschmutzt sind.

Café Con Mucho Amor
Carrera 52 #48-61 (Loc 142-143-144)
Plazoleta Sur CC
Palacio Nacional, Medellín (Antioquia)
 
Tomate un tinto (Trink dir einen tinto) – diesem Aufruf kommt man im Café Con Mucho Amor im Palacio Nacional nur zu gerne nach. Mitten im geschäftigen Treiben sitzt man gemütlich an kleinen Tischen. Bei tinto handelt es sich übrigens nicht um Rotwein, sondern einen kleinen schwarzen, meist gesüßten, Kaffee. Und der ist hier wirklich gut!

Den Alltag der Paisas erleben

Statue im Parque Berrío - Medellin

Ein kleiner Umweg durch die Stadt führt über den ersten Platz Medellíns, den Parque Berrío, wo Verkäufer ihre Wundersalben gegen alle Wehwechen oder Bücher zur spirituellen Erkenntnis anbieten. Abends reiht sich auf dem Bürgersteig Lotteriestand an Lotteriestand. Kaum zu glauben, dass es so viel zu gewinnen gibt.

Dort kann man einen Blick in die weiße Basílica de Nuestra Senora de la Candelaria werfen. So ganz genau nimmt man es aber mit der Keuschheit und Religion hier nicht immer, denn in der Straße links neben der Kirche kann man an einer Vielzahl von Ständen allerlei Pornos kaufen. Im Zentrum, direkt vor der Iglesia De La Veracruz, bieten Damen käufliche Liebe feil. Aber so lange man direkt danach zum Beichten in die Kirche geht, wird Gott schon nichts dagegen haben…

Einen Nationalhelden besuchen

Statue von Simón Bolívar in dem Parque Bolívar (Medellin)

Durch die Fußgängerzone (Carrera 49) gelangt man zum Parque Bolívar. El Libertador (der Befreier) Simón Bolívar gilt in vielen Ländern Südamerikas als Nationalheld. Er beteiligte sich maßgeblich am Befreiungskampf gegen die spanische Kolonialherrschaft. Darum gibt es auch in Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Panama, Peru und Venezuela in jeder Stadt mindestens ein Denkmal, einen Platz oder einen Park, der nach ihm benannt ist.

„Quisiera tener una fortuna material que dar a cada Colombiano, pero no tengo nada. No tengo mas que una corazon para amarlos y una espada para defenderlos.“

„Ich würde gerne jedem Kolumbianer ein Vermögen zukommen lassen, aber ich habe nichts. Nichts außer einem Herzen, um sie zu lieben und einem Schwert, um sie zu verteidigen.“

La Hacienda
Carrera 49 # 52 – 98
Medellín (Antioquia)

In dem modernen, gepflegten Restaurant findet man typisches und gutes kolumbianisches Essen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt hier, auch wenn es etwas teuerer erscheint. Von den Tischen auf dem Balkon aus hat man einen guten Blick auf das Gewusel in der Fußgängerzone darunter.  

Teil einer neuen Ära sein

Geht man vom Parque Bolivar aus weiter Richtung Metro (Haltestelle Prado), merkt man schnell, dass es durchaus auch sehr unangenehme Straßen und Viertel im Stadtzentrum Medellíns gibt. Hier ist etwas mehr Obacht geboten und man sollte sich immer auf sein Bauchgefühl verlassen. Solche Gegenden bei Dunkelheit zur eigenen Sicherheit meiden.

Doch Medellín ist längst nicht mehr die Stadt der Drogen und der Angst. Sie hat sich neu erfunden. Liebe Touristen, kommt und schaut es euch selbst an!

Reisetipps

Unbedingt eine Free Walking Tour mitmachen! Bei Real City Tours dauern diese rund 4 Stunden und lassen einen die Stadt mit ganz anderen Augen betrachten. Von Einheimischen erfährt man nicht nur etwas über die Geschichte Medellíns, sondern über die des ganzen Landes. Und ganz nebenbei kann man einige typische kolumbianische Speisen und Getränke probieren. Bezahlt werden die Führungen – wie bei Free Walking Tours üblich – am Ende ganz nach dem eigenen Budget und Gefallen.

3 Kommentare bei „Medellin – Die wiederauferstandene Stadt“

  1. Oh, das war gerade schön, mit einem Becher Kaffee mit euch durch Medellin zu schlendern und die herrlichen Ausblicke zu genießen 🙂 !!! Gut, dass wir gerade selbst am Meer sind und herrliches Wetter haben, sonst wollte ich sofort weg 😉 !! Ich freue mich schon auf euer nächstes Reiseziel!!

  2. Das ist so interessant, da möchte man am liebsten auch hin um sich das alles anzuschauen.
    Die Geschichte dieser Stadt würde man sonst sicher nicht erfahren. Klasse!

  3. Ich habe gelesen, dass Fernando Botero uns auch in Singapur begegnen wird – darauf freue ich mich jetzt schon, auch wenn es bis Mitte März 2017 noch etwas dauert……. 😉

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