Sucre – Wo Bolivien geboren wurde

Die Stadt ist gemütlich und ordentlich. Diesen Eindruck gewinnt man schon auf den ersten Blick, wenn man in Sucre ankommt – selbst an einem Sonntag in aller Frühe. Weiße Kolonialbauten aus dem 16. Jahrhundert säumen bis heute viele Straßen und rahmen die Plaza 25 de Mayo ein. Diese ist das Herzstück der Stadt mit den rund 250.000 Einwohnern, die seit 1991 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Sucre, in Quechua auch Chuquisaca (wie das gleichnamige Departamento) genannt, ist die konstitutionelle Hauptstadt Boliviens. Sie ist Sitz des Corte Suprema de Justicia (Oberster Gerichtshof), auch wenn der Regierungssitz 1898/99 offiziell nach La Paz verlegt wurde. Damals befand sich die Region in einer Krise, die eng mit den sich erschöpfenden Silbervorkommen im nahgelegenen Potosí zusammenhing. Während der Kolonialzeit war diese aufgrund der Minen zur Silberförderung die bedeutendste Stadt des Territoriums. Die Lage auf über 4.000 Metern führte allerdings dazu, dass die Spanier sich im Tal niederließen. Sucre wurde daher bereits 1538 als Ciudad de la Plata de la Nueva Toledo (Silberstadt von Neu-Toledo, kurz La Plata) gegründet und war lange Zeit das rechtliche und kulturelle Zentrum der Region.

1559 begann man mit dem Bau der Hauptkathedrale am Plaza 25 de Mayo, aber erst 250 Jahre später war sie fertiggestellt. 1609 wurde die Stadt als Erzbistum La Plata/Charcas Bischofssitz und La Plata war im 17. Jahrhundert auch der religiöse Hauptsitz der spanischen Kolonien auf dem südamerikanischen Kontinent. Verschiedene kirchliche Orden, darunter Jesuiten und Franziskaner, siedelten sich in den folgenden Jahren an, errichteten Klöster und förderten vor allem die Bildung der indigenen Bewohner.

Im Jahr 1825 erklärte der nach dem Freiheitskämpfer Simón Bolívar benannte neue Staat Bolivien die Unabhängigkeit von Spanien. Die Hauptstadt wurde 1839 zu Ehren von seinem Gefährten Mariscal António José de Sucre in Sucre umbenannt.

Das Klima im auf etwa 2.800 Metern gelegenen Sucre ist das ganze Jahr über angenehm und macht die Stadt mittlerweile (wieder) zu einem beliebten Reiseziel. Die koloniale Architektur ist ein gut erhaltenes Beispiel für die Verschmelzung von lokalen Traditionen und der spanisch-europäischen Bauweise zu einem ganz eigenen Stil, wie er in vielen Städten und Ländern Südamerikas zu finden ist. Viele staatliche Vorgaben haben dafür gesorgt, dass man in Sucre immer noch ein recht homogenes architektonisches Bild vorfindet.

1985 gründete die Andengemeinschaft die Universidad Andina Simón Bolívar (UASB), um die universitäre Bildung in den Andenländern zu fördern. In Quito (Ecuador) und Caracas (Venezuela) bestehen Nationalsitze.

Sucres Cementerio general (Hauptfriedhof) ist eine eigene kleine Welt: angelegt wie ein Park, drängen sich an vielen Stellen hunderte vitrinenartige Fenster aneinander, während auf der anderen Seite die Reichen der Stadt in stattlichen Mausoleen ruhen. Vor- und nachmittags ist der Friedhof für Besucher geöffnet.

Die verbliebenen Dekorationen der einzelnen Grabfenster des Día de los Muertos sind noch zu erkennen. Vor bzw. hinter vielen Scheiben stehen frische Blumen.

Viele Grünanlagen sowie ein landschaftlich reizvolles Umland bieten viele Aktivitäten in und vor allem rund um Sucre. Darunter unter anderem der Parque Cretácico, wo man in einem Kalkabbaugebiet einige der am besten erhaltenen Dinosaurierspuren der Welt besichtigen kann. Auf mehrere Quadratkilometer verteilt sind nicht nur über 5.000 rund 68 Millionen Jahre alte Spuren zu sehen, sondern auch mehrere lebensgroße Dinosauriermodelle.

Parque Cretácico
Carretera de Cachabamba, Sucre

Der Eintritt kostet 30 Bolivianos. Hin kommt man aus der Stadt mit Bus #4, geöffnet ist der Park offensichtlich (laut Webseite) Montag bis Freitag von 9.00 – 17.00 Uhr und am Wochenende von 10.00 – 20.00 Uhr (Sonntag nur bis 17.00 Uhr). Uns hatte man gesagt, dass er montags ­– wie viele andere Sehenswürdigkeiten in Sucre – geschlossen ist, daher waren wir leider nicht dort… Am besten vor Ort nachfragen.

Einen geschichtsträchtigen Ort besuchen

Nicht umsonst brüstet sich die Stadt mit dem Slogan „Sucre, donde nacio Bolivia“ (Sucre, wo Bolivien geboren wurde). In der Casa de la Libertad (Haus der Freiheit), einem ehemaligen Jesuitenkloster, wurden tatsächlich die Unabhängigkeitskriege in Südamerika für beendet erklärt und Bolivien als letztes Land von den Spaniern befreit. Am 6. August 1825 begründete man in dem historischen Gebäudekomplex die Republica de Bolívar und unterzeichnete im Salón de la Independencia Boliviens Unabhängigkeitserklärung. Es wurde also tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte geschrieben.

Ehemals diente dieser Raum als Kapelle des ansässigen Jesuitenordens und war später der Hauptsaal der ältesten Universität des Landes sowie auf dem amerikanischen Kontinent. Diese wurde 1624 durch Juan Frías de Herren als Universidad Mayor Real y Pontificia San Francisco Xavier de Chuquisaca (USFX) gegründet.

Hier wurde nicht nur die Unabhängigkeit Boliviens beschlossen, sondern auch zu Beschlüssen vieler anderer Länder getagt. Bis 1898 traf sich in dem Saal der Congreso Boliviano (bolivianische Kongress). Das Museum zeigt heute die ersten Nationalflaggen sowie zahlreiche Dokumente, die die historischen Ereignisse jener Zeit dokumentieren.

Casa de la Libertad
Plaza 25 de Mayo #11
geöffnet Dienstag bis Samstag von 9.00 – 12.00 Uhr
& 14.30 bis 18.30 Uhr, Sonntag 9.00 – 12.00 Uhr
Eintritt 15 Bolivianos, inkl. Tour (Spanisch/Englisch)

Aussicht auf die Stadt genießen

Wer eine Viertelstunde die Calle Dalence nach La Recoleta hinauf läuft, der wird belohnt mit einer tollen Aussicht auf das weiße Häusermeer von Sucre mit den terrakottafarbenen Dächern. Von dort oben erkennt man gut das von den Spaniern angelegte schachbrettartige Raster der Straßen.

Das schönste Gebäude am Plaza Pedro de Anzúrez ist das Kloster Monasterio de La Recoleta, das im Jahre 1601 dort vom Franziskanerorden gegründet wurde. Die restaurierte Kapelle und die Säulengänge mit ihren gepflegten Innenhöfen können als Museum besichtigt werden.

Café Gourmet Mirador
Plaza Pedro de Anzurez, La Recoleta, Sucre
täglich geöffnet von 9.30 – 19.30 Uhr

Von der grandios gelegenen Terrasse des Café Gourmet Mirador, direkt unterhalb des langen weißen Säulenganges, hat man den wohl schönsten Blick auf die Stadt. Das Essen ist leider teuer (und soll auch nicht sehr gut sein, außer die kalten Platten mit italienischem Fingerfood), aber wenn die Sonne scheint, sollte man sich bei einem kühlen Bier oder einer Tasse Kaffee eine Pause gönnen.

Reisetipps

Gemütlich und nicht teuer übernachtet man im „La Dolce Vita“, das von einem Franzosen geführt wird. Es liegt wenige Blocks vom Plaza 25 de Mayo entfernt, ein Markt für tägliche Einkäufe befindet sich um die Ecke. Geräumige Zimmer sind rund um einen offenen Hof angeordnet, es gibt eine Terrasse und mehrere Sitzmöglichkeiten. Die Gemeinschaftsküche ist sauber und verfügt über alles Notwendige sowie ein Sortiersystem für den Kühlschrank.

Busse aus Uyuni (Ecke Avenida Arce/Cabrera) fahren meistens über Potosí und kommen in der Regel sehr früh morgens in Sucre an. Wer nicht umsteigen möchte fährt mit 6 de Octubre, die Fahrt kostet etwa 70 Bolivianos und dauert 8 bis 10 Stunden. Da die Straßen mittlerweile besser ausgebaut sind, verläuft die Busfahrt in der Regel kalt (an eine Decke denken!), aber problemlos. Am besten im Voraus ein Ticket kaufen (bevor man die Tour durch den Salar de Uyuni antritt), sonst sind die Busse manchmal abends schon voll.

Einige Kilometer außerhalb der Stadt befindet sich ein neuer Flughafen, der Flugverbindungen in die größeren Städte des Landes anbietet. Wir sind für rund 270 Bolivianos (etwa 36,00 € + 11 Bolivianos Flughafengebühr) mit Boliviana de Aviación (BoA) geflogen. Zum Flughafen kommt man für nur 8 Bolivianos mit dem Collectivo, das vor dem Büro von BoA hält (Calle Audiencia, an der Ecke des Plaza 25 de Mayo). Dort nach den Abfahrtszeiten fragen.

Ein Kommentar bei „Sucre – Wo Bolivien geboren wurde“

  1. Da euer Bericht über Salar de Uyuni so emotional war, kommt es mir jetzt wie im “Reisealltag” angekommen vor 😉 . Danke für die vielen geschichtlichen Hintergründe und wieder einmal tollen Fotos. Ich komme weiterhin mit 🙂 !!!

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