Napier – Zeitreise mit Meerblick

Napier ist eine kleine und beschauliche Stadt an der Ostküste der neuseeländischen Nordinsel. Sie liegt am südlichen Ende der Bucht Hawke´s Bay. Ihren entspannten Charme und die Beliebtheit bei Touristen verdankt sie vor allem den vielen Art-déco-Häusern, die heute unter anderem schicke Läden und gemütliche Cafés beherbergen.

Bunte Feste (nicht nur im 1930er Jahre Stil) mit Musik, Kunst und Foodtrucks machen Napier – vor allem im neuseeländischen Sommer, also dann, wenn in Deutschland gerade Winter ist  – zu einer lebendigen Kleinstadt. Jung und Alt treffen sich draußen, mit Picknickdecken und Campingstühlen. Für noch mehr Urlaubsstimmmung sorgen die vielen Palmen, die in den meisten Parks und Wäldern ganz natürlich zur Begrünung gehören und doch auf den ersten Blick nicht so richtig zu Neuseeland passen wollen… 

Rund um die Stadt gibt es aufgrund des fruchtbaren Bodens und des milden, überwiegend sonnigen Klimas weitläufige Weinberge und einige Weingüter. Diese können im Rahmen von Touren oder mit dem eigenen Auto bzw. Rad erkundet werden. Oder man bewegt sich entspannt (und hoffentlich ohne Gegenwind!) entlang der Küste.

In der Zeit zurückreisen

Stuckfassaden, farbige Bleiglasfenster, verschnörkelte Balkongitter und Pastellfarben. Wer in Napier ankommt fühlt sich in ein bisschen wie in ein anderes Jahrhundert hineinversetzt: Klassische 1930er Jahre Architektur reiht sich auf der Haupt- und in vielen Nebenstraßen aneinander und versprüht eine entspannte, mediterran angehauchte Atmosphäre.

Das homogene Stadtbild mit den schönen Art-déco-Häusern, für das Napier heute so bekannt ist, resultierte jedoch aus einer Katastrophe. 1931 erschütterte ein starkes Erdbeben (7,9 auf der Richterskala) über eine Dauer von mehreren Minuten Hawkes Bay. Durch das Beben und einige Brände wurde fast die gesamte Innenstadt von Napier zerstört, 260 Menschen kamen dabei ums Leben.

Doch die Bewohner der Küstenstadt ließen sich nicht unterkriegen und bauten ihr Zuhause mit vereinten Kräften – und der Unterstützung einiger innovativer Architekten – innerhalb von nur zwei Jahren wieder auf.

147 vollkommen authentische Gebäude im Art-déco-Stil machen Napier zur weltweit einzigen „Art Deco City“. Manchmal vermischen sich die klassischen Verzierungen auch mit Maori-Motiven und verleihen der Stadt damit einen unvergleichlichen, typisch neuseeländischen Charme. Auch sonst dreht sich in Napier vieles um die 1930er Jahre: man kann Oldtimer-Touren machen sowie Mode, Möbel und Musik des vergangenen Jahrzehnts kaufen.

Den architektonischen Wert der Gebäude erkannte man allerdings erst viele Jahrzehnte später und stellte die Gebäude ab 1990 teilweise unter Denkmalschutz. Viele der Art-déco-Häuser wurden in den vergangenen Jahren liebevoll und stilgetreu restauriert. Um die Architektur und ihre Geschichte(n) zu erkunden, kann man sich einer geführten Tour anschließen (kostenpflichtig) oder sich einfach auf einem ausgedehnten Spaziergang durch die Straßen treiben lassen.

Donut Robot
89 Tennyson St, Napier South

Wer Glück hat, der findet den kleinen orangenen Donut-Stand mit dem freundlichen, auskunftsfreudigen Besitzer geöffnet vor und kann aus einer Reihe süßer Leckereien wählen. Ein Must-Eat ist ein frischer und noch warmer plain with sugar and cinnamon (ganz einfach mit Zimt & Zucker). Achtung: Suchtgefahr!

Das Leben am Meer genießen

Mit der Marine Parade wurde in Napier eine lange Uferpromenade zum Flanieren und Verweilen geschaffen. Direkt neben der i-SITE (Besucherinformationszentrum) befinden sich eine Grünfläche von der umrandenden, schattenspendenden Colonnade (Arkaden) sowie die 1935 ebenfalls im Art-déco-Stil errichtete Soundshell (Veranstaltungsbühne).

Die weiße geometrische Struktur des Stegs hebt sich vom strahlendblauen Himmel ab und wirft ein schönes Schattenspiel auf den Boden. Am vorderen Ende überblickt man die ganze Bucht von Napier und das Meer bis zum Horizont.

Fuß- und Radwege sind an der Marine Parade gut und breit ausgebaut. Sie laden zu einem ausgedehnten Spaziergang am Meer ein. Die gepflegten Sunken Gardens (versunkene Gärten) einige hundert Meter weiter südlich bieten sich für eine gemütliche Pause im Grünen an.

In den 1890er Jahren gab es vermutlich eine große Anzahl viktorianischer Häuser entlang der Marine Parade. Übrig geblieben ist davon nur eine kurze, als Six Sisters (sechs Schwestern) bekannte Häuserreihe. Der englische Architekt Robert Lamb entwarf die zweistöckigen Häuser für einen Mann, der eines für jede seiner sechs Töchter bauen ließ.

Die Gebäude überlebten das Erdbeben und die darauffolgenden Feuer von 1931 beinahe unversehrt. Sie sind jedoch nicht mehr bewohnt, stattdessen wurden ihre Fassaden bunt gestrichen und die Häuser zu Hotels, Gallerien und Restaurants umfunktioniert.

Noch ein Stück weiter südlich befindet sich das National Aquarium of New Zealand (546 Marine Parade, Napier South). Insgesamt 1,5 Millionen Liter Wasser fassen die rund 100 Becken und beheimaten Salzwasser-, Süßwasser- und Landlebewesen. Im Oceanarium, dem größten der Becken, wurde das marine Leben, wie es nur einige hundert Meter weiter in Hawke´s Bay stattfindet, naturgetreu nachgebildet und rund 1.500 Meerestiere angesiedelt.

Geschichten über die Māori und das Meer erfahren

Die Māori haben durch ihre polynesische Herkunft und die Fischerei als wichtige Nahrungsquelle immer eine spezielle Verbindung zum Meer gehabt. Als die ersten Siedler das Gebiet des heutigen Napier besiedelten, nannten sie es Ahuriri – so heißt noch heute ein Viertel der Stadt. Durch die etwas tragische Legende von Pania of the Reef ist die Stadt für die Māori für immer mit dem Ozean verbunden.

Alles beginnt mit Tangaroa, der einer der Nachfahren von Ranginui, dem Himmelsvater, und Papatuanuku, der Mutter Erde, ist. Er ist der Gott des Meeres und Vater aller Wesen, die darin leben. Seine Wellen spülen ans Land und er gewährt den Seeleuten auf ihren Booten Sicherheit. Tangaroa ist der Beschützer von Hinemoana (dem Ozean), den Fischen und allen anderen Unterwasserlebewesen.

Auch die wunderschöne Meerjungfrau Pania war eine von Tangaroas Meereswesen. Täglich schwamm sie bei Sonnenuntergang vor der Küste Napiers, um dort frisches Wasser zu trinken. Vor Sonnenaufgang kehrte sie stets ins Meer zurück. Eines Abends kam der Māori-Häuptling Karitoki zu der gleichen Quelle, an der Pania sich zum Verweilen immer in Flachs einhüllte. Er nahm sie mit sich und die beiden heirateten. Pania schwamm weiterhin jeden Morgen zu ihren Meereswesen. Gemeinsam hatten sie einen Sohn namens Moremore. Doch Pania zog es irgendwann dauerhaft zurück ins Meer und sie nahm Moremore mit sich. Damit brach sie Karitoki das Herz.

Moremore soll sich in ein taniwha verwandelt haben, ein normalerweise bösartiges drachen- bzw. schlangenähnliches Fabelwesen, dem besondere Kräfte nachgesagt werden. So soll der Sohn van Pania nun vor der Küste Napiers leben. Die Māori sahen Moremore als kaitiaki (Beschützer) während des Fischfangs.

Seiner Mutter Pania (of the Reef) zu Ehren steht in Napier auch eine bronzene Statue an der Marine Parade. Lieder, Texte und die Geschichten der Māori halten ihre Geschichte lebendig. Bis heute behaupten Taucher und Fischer, Pania ab und zu unter der Meeresoberfläche zu sehen, ihre Haare schwimmen wie Tang im Meer.

Wändeweise Kunst bestaunen

Ein besonderes Highlight in Napier sei noch erwähnt. Das globale Streetartprojekt Sea Walls: Murals for Oceans lockte bereits 2016 insgesamt 30 nationale und internationale Künstler in das kleine Küstenstädtchen Napier. Sie transformierten 29 Wände in der ganzen Stadt zu bunten und beeindruckenden Meisterwerken. Manche sind nur wenige Meter groß, andere überziehen viele Quadratmeter Wandfläche. Jedes Bild ist in dem eigenen Stil des Künstlers gehalten.

Die murals genannten Großkunstwerke sollen nicht nur die Stadt verschönern, sondern auch aufmerksam machen auf Probleme wie Überfischung, Plastik und Verschmutzung in den Weltmeeren, globale Klimaerwärmung und der Verlust von Lebensräumen.

Im März 2017 wurden die bereits existierenden 29 murals durch weitere 26 Kunstwerke ergänzt. Die haben wir leider nicht mehr entdecken können. Ein Rundgang in der Innenstadt und eine Fahrradtour entlang der Küste lohnen sich auf jeden Fall, da die Sea Walls über die ganze Stadt verstreut sind (Napier CBD, Port & Ahuriri). Wo welche Kunstwerke zu finden sind, ist hier nachzulesen.

Reisetipps

Ein Besuch in der Touristeninformation, in Neuseeland auch i-SITE genannt, direkt an der Küste lohnt sich, um sich einen Überblick über die Region zu verschaffen. Für jeden Geldbeutel sind Aktivitäten und Ausflugsziele dabei.

Für uns hat es sich angeboten, einige Stunden ein Fahrrad (ab 15 NZ$, z.B. bei Napier City Bike Hire, gegenüber der i-SITE) zu mieten und damit die Küstenstraße entlang zu fahren. Dadurch kann man nicht nur die Innenstadt Napiers erkunden, sondern bis zum Hafen, den Stränden und in das Viertel Ahuriri gelangen. Auch dort gibt es neben der Straßenkunst einige Art-déco-Gebäude zu entdecken, wie z.B. das National Tabacco Building. Hilfreich ist dazu auch die Karte „Hamkes´s Bay Trails“ (bekommt man an der Promenade in der i-SITE). Darin sind verschiedene Routen mit Kilometer- und Zeitangaben drin.

Gemütlich wohnen kann man übrigens im Toad Hall Backpackers (11 Shakespeare Road, Bluff Hill, Napier 4110). Von der gemeinschaftlich genutzten Dachterrasse genießt man einen tollen Blick auf die Stadt und zum Frühstück gibt es meist frisch gebackenes (Brot, Scones, o.ä.). In die Stadt und zur Promenade läuft man nur wenige Minuten.

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