Montevideo – Auf dem Weg zu neuem Wohlstand

Die Hauptstadt von Uruguay beheimatet mit 1,5 Millionen Menschen mehr als ein Drittel aller Einwohnern. Sie ist das wirtschaftliche, administrative und kulturelle Zentrum des kleinen Landes. Die dichte Bebauung der Landzunge wird durch grüne Freiflächen und Parks aufgelockert. Eine im 20. Jahrhundert im Rahmen des Hafenausbaus geschaffene breite Küstenstraße namens La Rambla Portuaria eröffnete den Zugang zum Meer neu.

Über die Namensherkunft Montevideos gibt es verschiedenste Theorien, die sicher nicht alle stimmen, sich aber auch nicht direkt ausschließen. Der Stadthügel mit seinen 132 Metern wurde von den Spaniern als Monte (Berg), von den einheimischen Guaraní jedoch als Yvyty (Felsen) bezeichnet. Der Portugiese Ferdinand Magellan machte daraus in seinen Aufzeichnungen im 16. Jahrhundert den Begriff Montevidi. Alte Seekarten beschriftete man mit „Monte VI D(e) E(ste a) O(este)“, um anzugeben, wo sich die Stadt – vom Meer aus gesehen – befindet: Berg 6 von Osten nach Westen. Vielleicht reichte aber auch bereits der Ausruf eines Seemanns „Monte vi eu“ (Ich sah einen Hügel), um Montevideo zu seinem Namen zu verhelfen.

Mehr über Gründung und Zeitgeist erfahren

1726 errichtete Bruno Mauricio de Zabala an der Stelle des heutigen Montevideo eine mächtige Festung. Diese sollte den Spaniern die Vorherrschaft am Río de la Plata sichern und die Ufer vor den Angriffen der Portugiesen sowie räuberischen Piraten schützen. Ausgehend vom günstig gelegenen Hafen der Stadt wurden die Handels- und Wirtschaftsaktivitäten nach und nach ausgebaut. Besonders für den Sklavenhandel während der Kolonialzeit spielte Montevideo eine zentrale Rolle in Südamerika. 

Wiederkehrende Belagerungen und Bombardements schwächten das Wachstum des Landes jedoch nachhaltig. Bis zur letztendlichen Unabhängigkeit im Jahre 1829 litt Uruguay unter der sich weiter verschlechternden Wirtschaftslage und den zahlreichen (politischen) Aufständen. Der Abriss der spanischen Befestigungsanlagen ermöglichte schließlich eine Expansion der Stadt Richtung Landesinneres.

Anfang des 20. Jahrhunderts beruhigte sich die Lage des krisengebeutelten Landes etwas. Eine Welle von Immigranten aus Europa und dem Landesinneren führte dazu, dass die Stadt plötzlich rasant wuchs. Die aufkommende Industrialisierung und damit verbundene Unternehmensgründungen konnten den Arbeitsplatzbedarf auffangen.

Wohnhäuser in der Ciudad Vieja (Altstadt) wurden zunehmend umgenutzt und die Bewohner in andere Stadtteile verdrängt. Viele ehemals prächtige Häuser wurden leider dem Verfall überlassen und erzählen nur noch bruchstückhaft von ihrer kolonialen Vergangenheit. 

Bunte Kunstwerke zieren die Wände ehemals prächtiger (kolonialer) Bauten.

Aus 62 Barrios (Stadtvierteln) setzt sich Montevideo heute zusammen, das neben dem Altstadtkern und dem Hafen auch einige moderne Gegenden hat. Was man auf den ersten Blick nicht sieht, sind die Armenviertel, die es vor den Toren der Stadt gibt. Denn auch wenn es den meisten der nur 3,5 Millionen Bewohner Uruguays gut zu gehen scheint, so fallen einige auch durch das Raster des teuren, südamerikanischen „Wohlstandslandes“, als das sich Uruguay gerne sehen möchte.

Die Banco de la Republica Oriental del Uruguay befindet sich in einem prächtigen Gebäude in der Altstadt.

Doch es gibt kaum eigene Produkte, daher müssen viele Dinge des täglichen Bedarfs. wie beispielsweise Lebensmittel und Kleidung, importiert werden und sind dementsprechend  teuer. Neben Argentinien gilt Uruguay derzeit als teuerstes Land in Südamerika. Umfangreiche Sozialreformen in den letzten Jahren sollen die immer noch ungleichen Verhältnis innerhalb des kleinen Landes in Zukunft langsam verändern.

Montevideo zählt bereits heute zu den sichersten Großstädten Südamerikas und ist zudem laut einer Studie die Stadt mit der höchsten Lebensqualität auf dem gesamten Kontinent.

Palmen verleihen der Stadt vielerorts eine mediterrane Wirkung. So auch am Plaza Independencia, dem großen Platz, an dem die Avenida 18 de Julio endet und hinter dem die Altstadt beginnt.

Zentrale Achse und wichtigste Einkaufsstraße von Montevideo ist bis heute die breite Avenida 18 de Julio, die als eine der einzigen in zwei Richtungen von Autos befahren wird. Rundherum siedelte sich die Mittel- und Oberschicht an. Die Viertel rechts und links der Straße sind hauptsächlich Wohnzwecken vorbehalten.

Einem Nationalhelden ganz nah sein

Am Plaza Independencia (Platz der Unabhängigkeit) kann man das beeindruckende unterirdische Mausoleum des Nationalhelden José Gervasio Artigas besuchen, das oben von einer riesigen Statue des selbigen geschmückt wird.

Der „Vater der Unabhängigkeit Uruguays“ lehnte sich als General und Politiker gegen die Kolonialherrschaft auf und legte damit die Grundsteine für ein autonomes Land. Er geriet jedoch während der Revolution zwischen die Fronten und starb im Exil. Heute wird Artigas als Held verehrt, er ziert unter anderem viele uruguayische Münzen.

Kunst und Kultur im Zentrum erleben

Die Ciudad Vieja von Montevideo ist geprägt durch kleine Cafés, Restaurants, Geschäfte, Kunsthandwerksstände und bunte Bilder an den Wänden. Die Straßen und Plätze sind lebhaft, auf den Bänken sitzen die Menschen in der Mittagssonne, manchmal spielt an einer Ecke ein Musiker eine begleitende Melodie.

Der Plaza Constitución ergrünt im Frühling, die Bäume spenden angenehmen Schatten.
Die Catedral Metropolitana wurde zwischen 1790 und 1804 erbaut. Ihre schöne und aufwändige Innenausstattung ist einen Blick hinein wert.

Montevideo verfügt über zahlreiche Theater und einige (gute) Museen. Viele davon sind staatlich und daher kostenfrei (oder der Eintritt ist sehr gering), aber montags oft geschlossen.

Das bekannteste Theater der Stadt ist wohl das Teatro Solís, das nicht nur die wichtigste Bühne des Landes, sondern auch die zweitgrößte in Südamerika ist. Die Tickets sind, zumindest für die hinteren Ränge, sehr günstig, da der Gang in die Stücke nicht den Reichen vorbehalten sein soll, sondern die ganze Bevölkerung ansprechen möchte. Leuchtet übrigens das rote Licht auf dem Theaterdach, findet gerade eine Vorstellung statt.

Brasilien hat den Samba, Argentinien den Tango und Uruguay den Candombe. Die Rhythmen brachten die afrikanischen Sklaven Ende des 18. Jahrhunderts zusammen mit ihren großen, hölzernen Trommeln mit. Denn der Hafen Montevideos verfügte lange Zeit über das Monopol für den Sklavenhandel am Río de la Plata.

Auch wenn die Sklaven ihre Sitten und Gebräuche in dem fremden Land nicht mehr ausüben durften, bewahrten sie sich durch die Musik das Andenken an ihre Heimat. Ihre Gefühle spiegeln sich in vielen Texten wieder. Heute identifizieren sich nicht nur die Nachfahren der afrikanischen Sklaven, sondern alle Uruguayer mit dem afrikanischen Rhythmus des Candombe.

Über den Ursprung des Tangos ist man sich nicht ganz einig. Die in Uruguay ankommenden Afrikaner jedenfalls nannten ihre Trommeln tango und benutzten diesen Ausdruck auch für die Aufführungsorte der Candombe-Tänze, die später ebenfalls als tangos bezeichnet wurden.

Und auch die berühmteste Melodie („La Cumparsita“) stammt vom uruguayischen Musiker Gerardo Matos Rodríguez. 1917 wurde der weltbekannte Tango in Montevideo uraufgeführt. Der Tango lebt also auf beiden Seiten des Río de la Plata. Seit 2009 gehört er übrigens zum „Immateriellen Kulturerbe der Menschheit der UNESCO“.

Auf verschiedensten Märkten bummeln

Sonntags lohnt sich ein langer Spaziergang durch das Barrio Cordón. Die Feria de Tristán Narvaja ist ein riesiger Flohmarkt, der sich über die Calle Dr Tristán Narvaja und in mehrere Seitenstraßen hineinzieht. Hier bekommt man von den Einkäufen für die nächste Woche über Kleidung und Haushaltsartikel auch richtige Flohmarktartikel. Manche sind sicher antik, andere sehen wohl nur schon recht verstaubt aus.

Direkt um die Ecke befindet sich das Espacio de Arte Contemporáneo (Arenal Grande #1929). Es ist in einem ehemaligen panoptischen Gefängnis untergebracht. Stetig wechselnde Ausstellungen (sichergehen, ob es derzeit eine gibt!) sind von Mittwoch bis Sonntag zu sehen, der Eintritt ist frei.

Die Karussells des kleinen Vergnügungsparkes zwischen Strand und Parque Rodó stehen still...

Und wer noch nicht genug vom Stöbern hat, der zieht weiter in den Parque Rodó, wo am Sonntag ebenfalls Markt ist. Dort gibt es allerdings eher Neuwaren, die meisten davon Kleidungsstücke (für Frauen).

Die Liebe zum Fastfood pflegen

Zur Stärkung am Imbissstand einen Pancho, einen Hot Dog mit kleinen Pommessticks statt Gurken und Röstzwiebeln, essen. Oben auf die auf beiden Seiten über das Brötchen hinausragende Wurst gehört unbedingt ganz viel Soße.

Auch unter der Woche finden in vielen Vierteln regelmäßig bunte Lebensmittelmärkte statt. Dort kauft man frisches Obst und Gemüse oft wesentlich günstiger ein, als im Supermarkt.

Einen besonderen Markt, der eigentlich keiner mehr ist, findet man in der Nähe des Hafens. Der Mercado Puerto (Hafenmarkt) bietet vor allem eines: Parillas, Parillas, Parillas. So heißen die Lokale, in denen über Holzkohle reihenweise Fleisch und Würstchen auf dem Grillrost liegen. Diese können direkt an der hölzernen Theke oder an einem der vielen Tische gegessen werden.

L’Egregore
Piedras 233, Mercado del Puerto

Das L’Egregore ist sicher nur eine von vielen Parillas, in denen man ein gutes Stück Fleisch bekommt. Wir haben uns einen Mittagsteller (leider ohne Salat oder Gemüse, das muss man extra bestellen) für $290 geteilt und sind mit zwei großzügigen Stücken gut satt geworden.

Leider ist die Halle nicht ganz so charmant und wirkt eher wie eine riesige Kantine. Wer es etwas ruhiger und gemütlicher mag, der setzt sich in eines der Randlokale, die oft auch noch ein bisschen günstiger sind. Der hohe Fleischkonsum der Uruguayer resultiert übrigens in der interessanten Tatsache, dass es rund 4,5 Kühe pro Einwohner gibt. Wie hat es unser Guide bei der Free Walking Tour formuliert: Irgendwann wird das Land von einer Kuh regiert…

Einen Mate teilen

Noch mehr als die Argentinier lieben nur die Uruguayer ihren Mate-Tee. Ob Jung oder Alt, Frau oder Mann, mindestens jeder zweite hat immer eine Thermoskanne mit heißem Wasser unter dem Arm klemmen und einen Mate (so heißt auch der Becher) in der Hand. Dieser kann verschiedenste Formen haben und aus allen möglichen Materialien sein. Traditionell wird er jedoch aus einem kleinen ausgehöhlten Kürbis hergestellt, der wahlweise mit Metall ummantelt ist und kleine Füße hat.

Das natürliche grüne Yerba entstammt einem Baum und enthält Koffein. Der Gehalt siedelt sich irgendwo zwischen Tee und Kaffee an. Etwas bitter im Geschmack ist das Getränk bestimmt nicht jedermanns Sache. Doch es geht weniger um den Mate an sich, als um die geteilte Zeit und das gemeinschaftliche Gefühl. Dem Besitzer des Mate ist es vorbehalten, den Becher immer wieder zu füllen und ihn reihum zu verteilen. Jeder trinkt dabei aus derselben silbernen Bombilla (Trinkhalm). Erst ein „gracias“ (Danke) zeigt an, dass man keinen weiteren Mate möchte.

Die Herzlichkeit der Uruguayer lieben

Die Einwohner des kleinen Landes sind ein liebenswertes Völkchen, das sich selbst nicht immer ganz ernst zu nehmen scheint. Uruguayer sind interessiert, liebenswert und gemütlich, ebenso wie die kleinen Orte und Städte. Das Leben dort ist beschaulich, es gibt keine Eile. Vielleicht sind aufgrund ihrer Gelassenheit alle so freundlich. Man kennt sich nicht und herzt sich dennoch. In Uruguay fühlen sich auch Besucher sofort willkommen!

Ihre Bizcochos (Teilchen) mögen die Uruguayer am liebsten sehr süß und auch der bernsteinfarbene Nationalschnaps Grappamiel (Grappa mit Honig) hat es diesbezüglich in sich. Beides sollte man aber probiert haben. 

Einen „Feiertag“ zelebrieren

Wer an einem 29. in Uruguay ist darf sich glücklich schätzen: Es ist Ñoqui-Tag! Die etwas abgewandelte italienische Nudelspezialität wird entweder ganz simpel mit Tomatensoße oder auch schmackhaft mit verschiedensten Füllungen serviert. Der Tradition nach gehört unter den (leeren) Teller am Ende eine Münze.

Tupique
Treinta y Tres #1355
11000 Montevideo (Ciudad Vieja)

In dem kleinen Café/Restaurant/Bäckerei kann man direkt neben der um die Mittagszeit immer gut besuchten Theke mit Kuchen und anderen Leckereien oder wahlweise auch im zweiten Stock sitzen. Für nur $130 bekommt man ein Ñoqui-Menü mit Nachtisch und wird davon auch satt.

Kuriositäten kennenlernen

Wer durch die Stadt läuft, der bemerkt an so machen Ecke, dass hier einiges anders läuft. Immer wieder sieht man in den Straßen zum Beispiel besondere grüne Blätter auf Schildern und Wänden. Cannabis wurde in Uruguay – als erstes Land der Welt – vollständig legalisiert. Der Staat ist der Ansicht, dass man die Drogenkriminalität so am effektivsten bekämpft. In sogenannten Grow Shops kann jeder Heimgärtner mittlerweile das notwendige Zubehör zum Anbau kaufen und sich sogar offiziell registrieren lassen. Auch in der Apotheke ist Cannabis in geregelten Mengen legal zu erwerben.

Auf dem Plaza Zabala steht eine Statue zu Ehren des spanischen Stadtgründers. Eigentlich nichts Besonderes. Doch ein Detail ist hier um einiges lustiger: Die Gitter rund um den Platz sind in Form von riesigen Penissen gestaltet – hier hat sich der Künstler wohl einen kleinen Scherz erlaubt.

Am Übergang der Plaza Independencia zur Altstadt steht eine vermeintlich historische Stadtmauer, die Puerta de Ciudadela, die allerdings gar keine ist. Sie wurde erst vor einigen Jahren dort errichtet. Der Verlauf der ehemals die Stadt umrundenden Festung ist jedoch mit farbigen Strichen auf dem Platz markiert.

Wer noch etwas mehr erfahren möchte über die Stadt, das Land und seine Bewohner, der nimmt am besten an einer Free Walking Tour (2,5 bis 3 Stunden) teil. Montags bis freitags geht es immer um 11.00 Uhr am Plaza Independencia los, samstags erst um 14.00 Uhr. Am besten nicht überpünktlich kommen, das bringt die Uruguayer offensichtlich in Verlegenheit, da sie selbst oft zu spät sind…

2 Kommentare bei „Montevideo – Auf dem Weg zu neuem Wohlstand“

  1. Ein lebendiger Spaziergang, der hungrig macht – nicht nur auf Essen 😉 …..

  2. Das ist so interessant alles über das Land, die Leute und die Geschichte zu erfahren und die schönen Märkte, das wäre was für mich. Ohne die Berichte würden wir das alles nie erfahren.

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