Gigantische, zum Teil mit dichtem Grün überzogene Felswände, die einen wunderschönen Fjord einrahmen – das ist der Milford Sound, knapp 300 Kilometer von Queenstown entfernt. Das Naturwunder liegt mitten im Fiordland National Park, der Teil des Te Wahipounamu UNESCO-Weltkulturerbes ist. Selbst Vielgereiste (wie wir) finden den Fjord atemberaubend. Mit Sicherheit ist er einer der schönsten Orte Neuseelands.
Milford Sound gilt mit rund 182 Regentagen im Jahr als eine der regenreichsten Gegenden in ganz Neuseeland. Wir hatten also umso mehr Glück, dass wir einen grandiosen Tag erwischt haben. Nicht ein Regentropfen, nur allerschönstes Sonnenwetter! Die Gegend soll allerdings auch bei Regen sehr beeindruckend sein.
Bereits die Anreise mit dem Glasdachbus von Queenstown aus ist ein Erlebnis. Ab Te Anau, einer Kleinstadt am gleichnamigen See, verändert sich die Landschaft. Eine Weile folgt man auf der Milford Road dem Seeufer, dann wird es hügeliger. Dort ist man bereits mitten drin im Fiordland National Park. Gebirgsregionen und Waldabschnitte mit heimischen Bäumen und Farnen wechseln sich nun ab. Wir haben zwei Stopps gemacht, die sich wirklich lohnen: die Mirror Lakes und The Chasm.
Die Mirror Lakes (Spiegelseen) liegen unmittelbar am New Zealand State Highway 94. Sie erhielten ihren Namen, da sie bei Windstille glatt wie Spiegel sind und die dahinterliegenden Earl Mountains perfekt reflektieren. Bei dem tollen Wetter, das wir hatten, waren die Spiegelungen wirklich klar und sehr eindrucksvoll. Die Seen sind Heimat zahlreicher Vogelarten, darunter Haubentaucher und Maori-Enten, die ganz ruhig ihre Runden ziehen, während hunderte Touristen ihre Fotos machen. Gespeist bzw. durchflossen werden sie vom Black Creek, einem Zufluss des Eglinton River.
Kurz bevor der Bus den 1200 Meter langen Homer Tunnel (eröffnet 1954) durchquert, der viele Höhenmeter überwindet und schließlich zum Milford Sound führt, halten wir noch einmal, um die von dichtem Regenwald bedeckte Schlucht zu bestaunen, die sich nun vor unseren Augen ausbreitet.
Der letzte Halt vor dem Bootsanleger des Milford Sound ist The Chasm, eine Stelle, wo der Fluss ein natürliches Steinloch geformt hat. Der Cleddau River bahnt sich seinen Weg direkt aus den Darran Mountains und bringt nach Regenfällen oft nicht nur sehr viel Wasser, sondern auch Geröll und kleine Steine mit sich. So haben die Strudel des Flusses mit der Zeit viele kleine Kuhlen in den Stein gefressen – ein tolles Fotomotiv. Der etwa 20-minütige Rundweg (vom Parkplatz aus) führt durch den Wald und ist trotz einiger Touristen sehr entspannt.
Endlich kommen wir nach einigen Stunden Busfahrt an unserem Reiseziel, dem Anleger der Boote, an, um kurz darauf unsere Tour auf dem Milford Sound anzutreten. Er ist der einzige Fjord Neuseelands, der über den Landweg zugänglich ist und wurde damit zu einer beliebten Touristenattraktion. Der beste Weg, ihn sich anzuschauen, ist an einer der vielen Bootstouren teilzunehmen, die einen innerhalb von zweieinhalb Stunden bis zur Tasman Sea und wieder zurückbringen.
Vor uns zieht sich grüner Regenwald die steilen Hänge der Bergketten hinauf, davor liegt blau-grün das Wasser. Nur ein paar Wolken am Himmel, ansonsten ist strahlendes Sonnenwetter. Besonders warm ist es allerdings nicht, die Temperaturen übersteigen in der Gegend selten die 20-Grad-Marke.
Der Milford Sound, der eigentlich ein Fjord ist, erstreckt sich von der Tasman Sea aus rund 15 Kilometer ins Landesinnere. Entstanden ist der Meeresarm mit den bis zu 1200 Meter hohen Felswänden zu beiden Seiten durch einen wandernden Gletscher während der Eiszeit. 1692 Meter hoch erhebt sich beim Hinausfahren die höchste Spitze der Bergkette, der Mitre Peak (Bischofshut).
Bereits vor über 1000 Jahren entdeckten die Māori den Milford Sound als eine gute Sammelstelle für Pounamu, auch bekannt als Greenstone (eine besondere Jadeart). Einige Strecken aus dem Osten sind noch heute Teil des bei Wanderern beliebten Milford Track. Der Legende nach wurde Milford Sound von Tu-te-raki-whanoa, einer gottähnlichen Figur, geformt, die das gesamte Fjordland erschuf. Genannt haben sie den Ort Piopiotahi, nach dem Piopio, einem längst ausgestorbenen Vogel, der dorthin geflogen sei, um nach dem Tod des legendären Helden Maui zu trauern.
Der Entdecker John Grono besuchte die Region um 1812 und nannte den Fjord Milford Sound, nach dem Ort Milford Haven in Wales. Der erste europäische Siedler, Donald Sutherland, ließ sich jedoch erst um 1877 mit seiner Frau in die Gegend nieder. Er erkundete sie nicht nur ganz genau, sondern errichtete auch die erste Herberge für Wanderer und Touristen. Von da an erzählte man sich über die Schönheit der unberührten Natur und der englische Schriftsteller Rudyard Kipling bezeichnete ihn sogar als „achtes Weltwunder“.
Durch die Regenfälle entstehen zahlreiche kleine und größere Wasserfälle, die entlang der steilen Klippen hinabfallen. Einige von ihnen erreichen nie die Oberfläche des Fjords, da sie bereits vorher vom Wind zerstreut werden.
Es gibt jedoch auch mehrere größere Wasserfälle, wie die Bowen Falls oder die Stirling Falls, an die man auch mit dem Boot ziemlich nah heranfahren kann. Und mit nah ist auch wirklich nah gemeint – wer nicht aufpasst, bekommt hier ordentlich Wasser ab. Also gut auf die Kamera aufpassen, wenn man einen der wunderschönen Regenbogen fotografiert, die das herabfallende Wasser zaubert.
Die Flora und Fauna des Milford Sound ist nahezu einzigartig. Sie gleicht der von Tiefseegewässern, auch wenn der Fjord an der tiefsten Stelle „nur“ 400 Meter tief ist. Denn durch das Zusammentreffen von Salz- und Süßwasser bilden sich im Fjord zwei Schichten. Die untere besteht aus dem schweren, salzhaltigen Meerwasser, die obere hingegen aus Süßwasser, das jedoch aufgrund der vielen vom Regen gelösten pflanzlichen Gerbstoffe sehr lichtundurchlässig ist. Daher kann man – vom Unterwasserobservatorium (Milford Deep) ¬aus – u.a. schwarze Korallen sehen, die sonst nur in tieferem Wasser beheimatet sind. Auch kleinere Haie können ab und zu beobachtet werden.
Doch auch oberhalb der Wasseroberfläche kann man im Wasser und an Land verschiedene Tiere entdecken, darunter Robben, Pinguine und Delfine. Im gesamten Fiordland National Park leben zahlreiche Land- und Seevogelarten, von denen viele nur in Neuseeland heimisch sind.
Und dann erreicht das Boot am St. Anne Point irgendwann tatsächlich das Meer. Dort öffnet sich der Milford Sound zur Tasman Sea. Da stellt sich direkt ein Gefühl von Weite und Freiheit ein.
Was für eine wunderschöne Tagesreise mit faszinierenden Naturerlebnissen und so vielen Eindrücken. Irgendwann müssen wir zum Wandern wiederkommen. Hoffentlich bei ebenso schönem Wetter!